DoE–Happen #021: DoE-Anwendungsbereiche Teil 2/6 „Screening“

    Schön, dass Sie mich auf der nächsten Etappe meiner DoE-Happen begleiten! Im letzten Teil #20 habe ich Ihnen bereits Heinz vorgestellt, der uns auch nach dem Abschluss des „Pre-Screenings“ bei der Erkundung des zweiten von sechs Bereichen, dem Screening, begleiten wird.

    Bild: Zusammenfassung des Pre-Screenings aus dem vorherigen Blogbeitrag DoE-Happen #020

    Heinz hat beim Projektstart versucht, mit minimalem Aufwand den Bereich zu identifizieren, der in wirtschaftlicher Hinsicht für die Zugabe des teuren Katalysators interessant ist. Nach einigen Versuchen und mit Unterstützung des Zulieferers konnte er in einem für ihn neuen Versuchsumfeld mit wenigen Tests den Bereich lokalisieren, der für weitere Untersuchungen von Interesse ist – wie im unteren Diagramm mit blau hinterlegtem Bereich dargestellt. Heinz war sich bewusst, dass er nur bis zum maximalen Viskositäts-Bereich untersuchen wollte, ohne darüber hinaus zu gehen. Ebenso vermied er Versuche im linken Bereich, da diese pragmatisch betrachtet nicht zielführend waren.

    Auf die harte Tour musste Heinz feststellen, dass der Zusammenhang nicht so linear war wie erwartet (rote Linie). Der linke Bereich zeigte zu wenig Katalysatorzugabe (keine Vernetzung), während der rechte Bereich eine übermäßige Zugabe aufwies, was zu erhöhten Kosten und Verdünnung des Gels führte.

    Für die Vollständigkeit möchte ich erwähnen, dass DoE mit zwei Faktoren beginnt und ein Faktor leicht mit einer y=f(x) Regression dargestellt werden kann. Dennoch ist es für unser Beispiel hier verständlicher, zunächst kurz bei der Betrachtung eines Faktors zu verweilen.

    Heinz stellte fest, dass der Bereich zwischen der dritten und vierten Einstellung zielführend ist. Die Zugabe des Katalysators ist der entscheidende Faktor, der alle anderen dominiert. Wenn dieser Faktor nicht im richtigen Bereich variiert wird, können andere Faktoren wie beispielsweise der Volumenstrom, die Prozesstemperatur und die Drehzahl des Mischers nicht effektiv auf deren Effekte untersucht und erfasst werden.

    Ergänzender Hinweis zum Verständnis:

    👉Der Effekt definiert sich durch die Veränderung einer Zielgröße, wenn der Faktor von seinem niedrigen auf sein hohes Level angehoben wird.

    👉 Die Einführung von Levels oder die Normierung ist wichtig, um alle Faktoren gleich zu skalieren und einen Vergleich ihrer Effekte zu ermöglichen. Doch dazu später mehr.

    Doch zurück zum Screening, da dieses extrem wichtig ist, um festzustellen, ob wir die richtigen Einflussgrößen im richtigen Bereich untersucht haben. Um dies von Anfang an sicherzustellen, müssen die Faktoren unabhängig, ausbalanciert und orthogonal zueinander für die Versuche angeordnet werden. Wir benötigen hierzu eine Designvorgabe, ähnlich wie ein Architekt, um diese Basis für die Untersuchung sicherzustellen.

    Bild: Darstellung eines Vollfaktoriellen Designs mit drei Faktoren

    Genau dieses „Design“ ist auch ein integraler Bestandteil der Methode „Design of Experiments“, da es die Grundlage beschreibt, wie wir unsere Versuche mit möglichst geringem Aufwand effektiv anordnen können, um unseren Untersuchungsansprüchen gerecht zu werden und eine Aussage darüber zu erhalten, in welchem Maße die Faktoren einen Einfluss auf eine oder mehrere Zielgrößen haben.

    Es ist jedoch erwähnenswert, dass wir 4 Faktoren (Katalysator, Temperatur, Mischerdrehzahl und Volumenstrom) haben und somit in einem vollfaktoriellen Design, wie es zuvor beschrieben wurde, schon 16 Versuche benötigen würden (Anzahl der Versuche = 2^(Anzahl der Faktoren)).

    Außerdem sind wir aufgrund unserer begrenzten Vorstellungskraft nur in der Lage, drei Dimensionen zu erfassen. Wir erinnern uns daran, dass wir im Bereich des Screenings oft noch nicht genau wissen, wie die zielführenden Variationsbereiche der Faktoren aussehen sollen. Daher ist es ratsam, im Screening, Designs zu wählen, die nur die linearen Zusammenhänge erklären.

    Dies geschieht, weil wir als Versuchsplaner sicherstellen möchten, dass wir die richtigen Versuche im richtigen Bereich durchführen, da uns eine hohe Anzahl von Versuchen im falschen Bereich nicht weiterbringt.

    Bild: Aufteilung eines vollfaktoriellen Designs mit 3 Faktoren in zwei Teilfraktionen mit Hilfe eines Fractionell Faktoriellen Designs

    Um dies zu berücksichtigen, können wir das 3-Faktor-Design in zwei komplementäre Versuchssätze aufteilen. Dadurch können wir mit einem reduzierten Aufwand und einem Fractionell Faktoriellen Design feststellen, ob wir die richtigen Parameter im interessierenden Bereich untersucht haben.

    Aus diesen Versuchen können wir lineare Zusammenhänge ableiten und herausfinden:

    • 🔎 ob die Ergebnisse mit den Messmethoden erfasst werden können,
    • 🔎 ob die gesteckten Ziele erfüllbar sind,
    • 🔎 welchen Einfluss die Faktoren haben,
    • 🔎 welche Faktoren den größten Einfluss haben,
    • 🔎 welche Faktoren keinen Einfluss haben,
    • 🔎 welche Faktoren in ihrer Variation angepasst werden müssen, um die Ziele zu erreichen,
    • 🔎 ob es Hinweise auf nichtlineares Verhalten gibt,
    • 🔎 usw.

    Somit lassen sich schon aus wenigen Versuchen viele Informationen gewinnen, die zeigen, ob und wie die Ziele erreicht werden können. Nun wollen wir abschließend die entscheidenden Schritte dieser Screening-Phase noch einmal zusammenfassen.“

    👉Phase: Im Screening bemühen wir uns darum, die entscheidenden Parameter eindeutig zu identifizieren und den optimalen Variationsbereich abzutasten, einzuschätzen und zu bestimmen. Dies ist besonders wichtig, da wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher sein können, ob wir bereits alle relevanten Faktoren und Variablen erfasst haben.

    👉Vorgehensweise: In dieser Phase liegt der Schwerpunkt darauf, die richtigen Faktoren und Variationen im angemessenen Bereich abzuleiten. Dies können wir daran messen, ob wir bereits grobe Ursache-Wirkungs-Modelle aus den Ergebnissen ableiten können. Wenn dies nicht der Fall ist, kann die Software bei entsprechender Designauswahl Hinweise auf Wechselwirkungen oder nicht lineare Effekte geben. Außerdem können wir anhand der Ergebnisse ohne Modell bereits feststellen, ob wir uns zumindest teilweise im richtigen Zielfenster innerhalb unseres Untersuchungsraums befinden.

    👉Aufwand: In dieser Phase werden, ähnlich wie beim Pre-Screening, sowohl lineare als auch gelegentlich weitere Effekte untersucht. Unter bestimmten Umständen erfolgt sogar schon eine Untersuchung von Wechselwirkungen, wenn wir diese vermuten oder der Versuchsaufwand es ermöglicht, beispielsweise bei einer geringen Anzahl von Faktoren.

    💬Falls Ihnen mein Beitrag gefallen hat, würde ich mich freuen, wenn Sie ihn teilen und ein Like hinterlassen könnten.

    Vielen Dank für Ihr Interesse und bis bald!

    Ihr DFSS und DoE Experte

    Stefan Moser

    Erfahrungen & Bewertungen zu Stefan Moser Process Optimization