DoE-Happen #28: Center Points braucht es die in der DoE?

    Hallo Liebe Freunde der Versuchsplanung. Heute möchte ich über Replikate, Centerpoints und Wiederholungsversuche sprechen und deren Notwendigkeit diskutieren. Doch lassen Sie uns ganz vorne beginnen.

    In der Welt der Versuchsplanung (Design of Experiments, DoE) stehen Versuchsleiter oft vor der Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen Zeit, Kosten, Ressourcen und der Notwendigkeit einer genauen Datenerfassung zu finden. Die Durchführung von Versuchen mit einem Minimum an Experimenten mag verlockend erscheinen, insbesondere wenn der Zeitdruck hoch und die Ressourcen begrenzt sind. Es gibt jedoch wesentliche Elemente der Versuchsplanung, die nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn zuverlässige und aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden sollen. Zwei dieser Elemente sind Replikate und Centerpoints.

    Bild 2: Zusammenspiel der DoE-Aspekte: Function, Budget, Time, Ressourcen, Money, Team © Stefan Moser

    Replikate und Centerpoints spielen eine entscheidende Rolle bei der Sicherstellung der Genauigkeit und Robustheit Ihrer Ergebnisse. Sie bieten wertvolle Einblicke in die Variabilität des Prozesses und helfen, nichtlineare Effekte und Messungenauigkeiten zu identifizieren. Trotz ihrer Bedeutung werden diese Elemente von Experimentatoren, die mit DoE weniger vertraut sind, oft als überflüssig angesehen. Die Argumente gegen ihre Verwendung beziehen sich in der Regel auf den erhöhten Zeitaufwand, die zusätzlichen Kosten und den erhöhten Bedarf an Ressourcen.

    Aber was ist eigentlich ein wiederholtes Experiment und was ein reproduziertes Experiment?

    Bild 3: Schematische Darstellung Wiederholbarkeit (links) und Reproduzierbarkeit (rechts) Plot © Stefan Moser
    • Wiederholbarkeit (Repeatability): Dies bezieht sich auf die Konsistenz der Ergebnisse, wenn der gleiche Versuch unter denselben Bedingungen und von denselben Personen durchgeführt wird (linkes Bild). Es geht darum, ob die gleichen Ergebnisse erzielt werden, wenn derselbe Prozess unter identischen Bedingungen wiederholt wird auch wenn mehrere Personen dabei jeweils gleich involviert sind.
    • Reproduzierbarkeit (Reproducibility): Dies bezieht sich auf die Konsistenz der Ergebnisse, wenn der gleiche Versuch unter unterschiedlichen Bedingungen, möglicherweise von verschiedenen Personen und an unterschiedlichen Standorten, durchgeführt wird. Es geht darum, ob die gleichen Ergebnisse erzielt werden können, wenn der Prozess von verschiedenen Personen oder in verschiedenen Labors basierend auf den gleichen Anweisungen durchgeführt wird.

    Und in der Versuchsplanung …?

    In der Versuchsplanung werden je nach Anforderung beide Konfigurationen verwendet, wobei in der Regel die „Repeatability“, also die Wiederholbarkeit, im Vordergrund steht, um den Einfluss der priorisierten und systematisch variierten Faktoren besser zuordnen zu können.

    Beide Konzepte dienen dazu, die Zuverlässigkeit und Konsistenz der Ergebnisse, insbesondere in der Produktion und Qualitätskontrolle, sicherzustellen. Eine erfolgreiche Reproduzierbarkeit zeigt, dass das Verfahren robust und unabhängig von individuellen Einflüssen (Störgrößen) ist.

    Bild 4: Anordnung der Centerpoint-Versuche in einem Voll Faktoriellen Design mit 2 und 3 Faktoren © Stefan Moser

    Braucht es nun die Center-Points (blau) unter diesen Aspekten?

    Oft werden die zusätzlichen Centerpoints lange und ausführlich diskutiert und damit in Frage gestellt. Es gibt jedoch eine Reihe von Hinweisen, die sich aus den Centerpoints ableiten lassen und die uns helfen, die Prozesse bzw. unsere DoE besser zu verstehen.

    Aber wir springen wieder, lassen Sie uns zuerst die Centerpoints einordnen.

    Centerpoints sind Experimente, die sich im Zentrum der Versuchsplanung befinden. Bei der Versuchsplanung werden die Versuche meist in einem zweistufigen Design (-1, 1) variiert. Dies ermöglicht es, den Einfluss der Faktoren „Effekte“ miteinander zu vergleichen. Die mittlere Position ist dann z. B. „0,0“ in einem 2-Faktor-Design oder „0,0,0“ in einem 3-Faktor-Design. Siehe hier Bild 4

    Werden diese Versuche mehrfach, in der Regel 3-mal, wiederholt, so lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten

    Zentraler Aspekt:

    In den meisten Fällen werden die Variationen der Faktoren um einen zentralen Anker oder Arbeitspunkt definiert. Nicht selten liegt dieser Punkt z.B. bei Optimierungen oder Robustheitsuntersuchungen in der Nähe einer zu bestätigenden oder zu überprüfenden vorherigen Einstellung. Allein aus diesem Grund ist es von erhöhtem Interesse, diese Einstellung näher auf ihre Robustheit zu untersuchen.

    Erkenntnis 1: Lage der Experimente

    Bild 5: Plots Replikate und Histogramme verschiedener Zielgrößen übereinander

    Die Lage der Center-Point-Versuche im „Replicate Plot“ zeigt, dass nicht alle Versuchsergebnisse einer Normalverteilung folgen. Insbesondere der rechte Plot zeigt, dass die Wiederholungsversuche (blau) relativ weit unten im Plot und damit außermittig in der Ergebniswolke liegen. Dies kann z.B. bei Screening-Experimenten oder linearen Untersuchungen wertvolle Hinweise darauf geben, ob einer der Faktoren einen nichtlinearen Einfluss haben könnte. Der Konjunktiv ist hier bewusst gewählt, da durch die gleichzeitige Positionierung der Experimente auf allen mittleren Einstellungen statistisch nicht unterschieden werden kann, welcher Faktor für die Nichtlinearität verantwortlich ist. Dennoch erhalten Sie diesen wertvollen Hinweis bereits mit der ersten Darstellung, ohne dass noch irgendetwas berechnet wurde. D.h. im Replicate Plot werden die Versuche tatsächlich nur mit ihren Ergebnissen, z.B. nach Versuchsnummer, dargestellt. Zusätzlich ist diese schiefe Verteilung auch im rechten Histogramm zu erkennen.

    In den meisten Fällen können die entscheidenden nichtlinearen Faktoren durch die Expertise Ihrer Mitarbeiter schnell identifiziert und weiter untersucht werden.

    Erkenntnis 2: Streuung der Centerpoint Experimente

    Bild 6: Replikate als Mittelwerte und mit Wiederholungen (Einzelversuche) Plot erzeugt mit Modde 13.1 

    Versuchsplanungen werden in der Regel mit einem Minimum an Versuchen durchgeführt, um den Aufwand möglichst gering zu halten. Ein guter Versuchsplan zeichnet sich dadurch aus, dass er mit wenigen Experimenten auskommt, indem die Faktoren systematisch skaliert und nur auf zwei Level untersucht werden. Ergänzt wird dies gegebenenfalls durch einige wenige axiale Experimente. Die Centerpoints liegen dabei im Schnittpunkt der axialen Versuche Siehe rechte im Bild 3. Oftmals sind die Ergebnisse jedoch beschönigt, da die Variation der Versuche nicht erkennbar ist, wenn nicht zumindest einige Versuche wiederholt oder durch die Centerpoints repräsentiert werden.

    Die Centerpoints (blau) im oberen Plot zeigen beispielsweise, dass für diesen Prozess die Centerpoints starke Variationen aufweisen. Diese Variation beträgt etwa 30%. Diese Schwankung erschwert es, die wahren Effekte der Faktoren zu ermitteln, da jedem Versuchsergebnis diese Schwankung zugestanden werden muss. Faktisch überlagern sich somit ein Großteil der Ergebnisse in den Ergebniswolken. Dies wird besonders offensichtlich, wenn der untere Plot betrachtet wird, der nicht nur die Mittelwerte der Ergebnisse wie im oberen Plot enthält, sondern auch alle Einzel- und Wiederholungsversuche. Dadurch wird das Bild der tatsächlichen Wiederholbarkeit klarer.

    Erkenntnis 3: Messgenauigkeit bzw. Auflösung der Ergebnisse

    Bild 7: Schematische Darstellung der Überlagerung von Messwerten bei zu geringer Auflösung des Messgerätes.  Plot erzeugt mit Python

    Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Interpretation der Ergebnisse ist die Messgenauigkeit bzw. die Auflösung der Ergebnisse. Eine hohe Messgenauigkeit ist entscheidend, um kleine Unterschiede und Effekte zwischen den Versuchen erkennen zu können. Wenn die Auflösung der Messungen zu grob ist oder sich die Werte überlagern, können wichtige Details übersehen werden und die Interpretation der Daten wird ungenau oder unscharf.

    In unserem Beispiel könnte die starke Variation darauf hindeuten, dass die Ergebnisse stark streuen, wie es z. B. bei Zugfestigkeitsversuchen der Fall sein kann. Ebenso könnte es in anderen Fällen darauf hindeuten, dass die Messgenauigkeit nicht ausreicht, um die Effekte der untersuchten Faktoren klar zu differenzieren und zu identifizieren. Die Unterscheidung zwischen tatsächlichen Einflüssen der Faktoren und zufälligen Schwankungen in den Ergebnissen sowie die Ableitung von Faktoreffekten wird dadurch zusätzlich erschwert.

    Nach Shainin(1) sollte die Streuung der Wiederholungen nur 1/6 – 1/5 der beobachteten Variation aller Versuche (max-min) in der DoE betragen.

    Plädoyer zur Berücksichtigung von Centerpoints

    Centerpoints sind essenziell für eine umfassende und genaue Analyse Ihrer Versuche. Sie ermöglichen es, Variationen in den Ergebnissen zu erkennen und Hinweise auf mögliche nichtlineare Einflüsse der Faktoren zu geben. Die Beobachtung der Centerpoints kann wertvolle Einblicke in die Wiederholbarkeit und Verlässlichkeit der Ergebnisse liefern, noch bevor aufwendige Berechnungen durchgeführt werden.

    Durch die systematische Einbeziehung von Centerpoints können Sie frühzeitig potenzielle Probleme in Ihrer Versuchsplanung erkennen und notwendige Anpassungen vornehmen. Dies erhöht die Genauigkeit und Zuverlässigkeit Ihrer Ergebnisse erheblich. Darüber hinaus ermöglichen Centerpoints eine bessere Abschätzung der Messgenauigkeit und tragen zur Identifizierung der wahren Effekte der untersuchten Faktoren bei.

    Nutzen Sie die Erkenntnisse aus den Centerpoints in Kombination mit Ihrer Expertise, um gezielt weitere Versuche zu planen. So können Sie auffällige Faktoren genauer untersuchen, deren Nichtlinearität verifizieren und die Messgenauigkeit optimieren. Die Berücksichtigung von Centerpoints ist somit ein unverzichtbarer Schritt in der Versuchsplanung, der Ihnen hilft, verlässliche und präzise Ergebnisse zu erzielen.

    Bis zum nächsten Mal, bleiben Sie neugierig und experimentierfreudig!

    Teilen Sie gerne Ihre Gedanken und Erfahrungen mit mir – gemeinsam können wir den Weg zur Optimierung meistern.

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    Ihr DFSS und DoE Experte,

    Stefan Moser

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